Blog-Adventskalender, viertes Türchen: Barbara und die Bergleute

Wenn ihr diesen Text hier lest, dann wahrscheinlich, weil ihr über den Blog-Adventskalender hierher gefunden habt, der von der lieben Thalestria ins Leben gerufen wurde. Ich habe mich gleich gemeldet, als sie bei Twitter nach Mitstreitern suchte. Dass sie mir den 4. Dezember zuteilte, hat mich sehr gefreut. Heute ist Barbaratag. Die Heilige Barbara ist die Heilige der Bergleute – wie passend für ein kleines Blog aus dem Ruhrgebiet 🙂

Die Geschichte von Barbara von Nikomedien
Barbara von Nikomedien (das heutige Izmit in der Türkei)
 hatte es wirklich nicht leicht. Ihr Vater wollte sie verheiraten, sie hatte darauf keine Lust. Sie hatte sich mit Christen angefreundet und sich zum Christentum bekannt, das gefiel dem Vater überhaupt nicht. Ihr alter Herr sperrte sie, wie man das mit störrischen Töchtern in der guten alten Zeit so machte, in einen Turm ein – das ist auch das Erkennungszeichen der Heiligen. Doch was hat diese Geschichte von Barbara von Nikomedien mit den Bergleuten zu tun? Das hängt mit Barbaras Flucht zusammen: Denn als sie sich aus dem Staub machen wollte, öffnete sich vor ihr ein Felsen und verbarg sie vor ihrem Vater, der ihr dicht auf den Fersen war. Zwar hat ihr das Versteck nicht lange geholfen (ein Hirte soll sie verraten haben), doch eben wegen dieses felsigen Verstecks ist Barbara zur Heiligen der Bergleute geworden. 

Barbara von Nikomedien hatte wenig Grund zur Freude: Ihr Vater sperrte sie, weil sie sich ihm nicht fügen wollte, in einen Turm. Der ist seitdem das Erkennungszeichen der Heiligen.

Barbara von Nikomedien hatte wenig Grund zur Freude: Ihr Vater sperrte sie, weil sie sich ihm nicht fügen wollte, in einen Turm. Der ist seitdem das Erkennungszeichen der Heiligen.

Soviel zur Legende. Doch wo begegnet mir diese Barbara im Ruhrgebiet? Ich habe mich mal auf eine Spurensuche begeben, in Bochum und Dortmund.

Das Wetter unter Tage

„Hallo!“, sage ich fröhlich, als ich das Bergbau-Museum in Bochum zum ersten Mal betrete. Der ältere Herr hinter der Kasse schaut mich skeptisch an.Schließlich fragt er: „Hör’ma: Du willst doch nicht unten im Stollen bleiben?“ Ich schüttle irritiert den Kopf. „Na, dann sag mal lieber ‚Glück auf!‘ Das sagt man so im Bergbau.“ Ich erwidere seinen Gruß, nehme meine Eintrittskarte und mache mich auf den Weg in den Stollen. Ich möchte hier vor allem im Anschauungsbergwerk nach Barbara suchen. Näher als in diesem Stollen für Touristen kommt jemand wie ich wohl nicht ohne weiteres dran an die Arbeitswelt der Bergleute. Mit einem Aufzug geht es abwärts.

Der Förderturm am Bergbau-Museum gehörte ursprünglich zur Zeche Germania in Dortmund. Er ist begehbar und schon von Weitem gut sichtbar.

Der Förderturm am Bergbau-Museum gehörte ursprünglich zur Zeche Germania in Dortmund. Er ist begehbar und schon von Weitem gut sichtbar.

Auch wenn das Bergwerk „nur“ bis zu 20 Metern unter der Erde liegt, auch wenn außer mir viele andere Besucher da sind und Kinderlachen zu hören ist, wird mir in den dunklen, kühlen Gängen sofort mulmig zumute. „Rote Erde“ kommt mir in den Sinn, der monumentale Film mit Ralf Richter und Claude Oliver Rudolph aus den 80ern, in denen die Kumpels gegen matte Wetter zu kämpfen haben, also schlechte Atemluft.

Die Luft im Museum ist prima. Trotzdem komme ich mir ein bisschen vor wie Barbara, die auf der Flucht vor dem Vater zwischen den Felsen verschwindet. Die Gänge sind niedrig. Der Boden ist zum Teil nichts als festgestampfte Erde. Die Wände sind klamm. Die Vorstellung, sich hunderte Meter unter der Erde aufzuhalten, und das den ganzen Arbeitstag lang, ist beängstigend. Vor allem dort, wo der Stollen dem Bergbau aus älteren Epochen nachempfunden ist.

Die Gänge sind den Bergbaustollen im Ruhrgebiet in unterschiedlichen Epochen nachempfunden. Je älter, desto beklemmender.

Die Gänge sind den Bergbaustollen im Ruhrgebiet in unterschiedlichen Epochen nachempfunden. Je älter, desto beklemmender.

Wer sich mit Bergbaugeschichte auseinandersetzt oder sie vielleicht sogar selbst erlebt hat, weiß, wie gefährlich diese Arbeit war – und immer noch ist. Es kam und kommt zu Unfällen. Menschen werden verschüttet, verletzt und sterben sogar. Auf der Zeche Minister Stein, die bei ihrer Schließung in den Achtzigern die letzte fördernde Zeche in Dortmund war, kam es beispielsweise 1925 zu einer Schlagwetterexplosion, bei der 136 Bergleute ums Leben kamen. Von Schlagwetter redet man, wenn unter Tage Methan in die Luft im Stollen strömt. Bei dieser gefährlichen Mischung kann ein Funke genügen, um eine Explosion zu verursachen.

Schweigend laufe ich die Gänge im Museum ab und bewundere die imposanten Geräte, die im historischen oder modernen Bergbau zum Einsatz gekommen sind. Plötzlich fällt mir eine kleine, metallene Kapsel auf: eine Rettungskapsel.

Mit solchen Rettungskapseln werden verschüttete Bergleute an die Oberfläche befördert.

Mit solchen Rettungskapseln werden verschüttete Bergleute an die Oberfläche befördert.

Die Funktionsweise ist einfach: Im Falle einer Verschüttung wird, wenn es besonders schnell gehen muss, ein Durchgang von relativ geringem Durchmesser bis zu den Verschütteten gebohrt. Die Kapsel wird durchgeschoben, ein Verletzter legt sich hinein und kann dann schnell an die Oberfläche gezogen werden. Keine schöne Vorstellung.

Ich setze meine Tour durch den Stollen fort und denke zu diesem Zeitpunkt, dass ich hier unten keine Barbara sehen werde. Doch dann, kurz vor Ende des Rundgangs, sehe ich eine Statue stehen: die heilige Barbara, die in ihren Händen eine Sicherheitslampe hält, als wolle sie die Wetter unter Tage prüfen. Für gläubige Bergleute sicher eine beruhigende Vorstellung, dass da jemand ist, der aufpasst.

Eine Heilige schreitet zur Tat: Barbara überprüft mit einer Sicherheitslampe die Wetter unter Tage. Die Skulptur im Bergbau-Museum Bochum ist von Detlef Wölfel aus Datteln entworfen worden.

Eine Heilige schreitet zur Tat: Barbara überprüft mit einer Sicherheitslampe die Wetter unter Tage. Die Skulptur im Bergbau-Museum Bochum ist von Detlef Wölfel aus Datteln entworfen worden.

Ich mach‘ mich trotzdem lieber wieder auf dem Weg nach oben. Ganz nach oben: Denn nach dem Aufenthalt unter Tage lasse ich mir erstmal auf der Spitze des Förderturms den Wind um die Nase wehen.

Next stop: Eving

Als ich wieder im Auto sitze, tippe ich „St. Barbara Dortmund“ in mein Smartphone ein. Und werde fündig: In Eving, einem Stadtteil in Dortmunder Norden steht die Kirche St. Barbara – quasi einen Steinwurf von der Zeche Minister Stein entfernt. Auch wenn hier nicht mehr gearbeitet wird: ein beeindruckendes Bauwerk ist die Zeche mit ihrem Hammerkopfturm allemal. Eving ist ein klassischer Arbeiterstadtteil, in dem zu Hochzeiten des Bergbaus deutlich mehr Leute gelebt haben als heute noch. Bis zu 5000 Leute haben hier zeitweise „aufm Pütt“ gearbeitet. 1987 wurde die Zeche Minister Stein geschlossen. Das Kapitel Bergbau in Dortmund war zu Ende.

Geblieben ist die Kirche St. Barbara, die für die Bergleute gebaut wurde.

Seit 1891 gibt es im Stadtteil Eving in Dortmund eine Barbara-Kirche. Die alte Kirche wurde bald zu klein und wurde durch eine größere ersetzt.

Seit 1891 gibt es im Stadtteil Eving in Dortmund eine Barbara-Kirche. Die alte Kirche wurde bald zu klein und wurde durch eine größere ersetzt.

Die Gelsenkirchener Bergbau AG hatte im 19. Jahrhundert sogar Fläche (laut Internetseite 2 Morgen Land) und Bargeld gestiftet, um das zu ermöglichen. Nachdem 1870 im Dortmunder Norden mit dem Fördern von Kohle begonnen wurde, wurde 1891 die erste Kirche eingeweiht – die aber wegen der vielen Gläubigen bald zu klein wurde. Die Nachfolgerin wurde 1906 eingeweiht. Den Namen St. Barbara hat die Gemeinde jedoch nicht geändert. Bergbau und Barbara – gehört einfach zusammen.

Als ich an dem Sonntagabend an der Kirche ankomme, ist sie leider geschlossen. Einen Blick hinein werde ich aber sicher irgendwann noch werfen…

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Vielleicht kennt ihr ja auch die ein oder andere St. Barbara im Ruhrgebiet, die ich mir mal ansehen sollte? Freue mich über eure Hinweis! Ich wünsche euch eine gute Vorweihnachtszeit und ein schönes Weihnachtsfest. 🙂